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- Die Reise unseres Lebens -

Bahnfahrt in Vietnam: ein besonderes Erlebnis

Die günstigste Klasse im Flugzeug, die Economy Class, wird umgangssprachlich wegen ihres üblicherweise geringen Komforts ja gerne als Holzklasse bezeichnet. Auf unserer Fahrt mit dem Zug von Nha Trang im Süden Vietnams nach Da Lang in Zentralvietnam erlebten wir einen ganzen Tag lang, was eine tatsächliche und nicht nur sprichwörtliche Holzklasse ausmacht.

Jetzt geht’s los

Früh morgens quetschten wir uns zu viert mit vier großen Rucksäcken und reichlich Proviant in ein Taxi, das uns zum Bahnhof von Nha Trang brachte. Dort angekommen nahmen wir im Warteraum Platz, denn aufs Gleis wird man erst nach der Ticketkontrolle und erst kurz vor Ankunft des Zuges gelassen. Da der Zug auch mehr als eine halbe Stunde Verspätung hatte, mussten wir etwas länger warten.

Bestens ausgerüstet für eine lange Zugfahrt
Bestens ausgerüstet für eine lange Zugfahrt
Jetzt geht’s los!
Jetzt geht’s los!

Gegen kurz vor neun war es dann endlich so weit. Für uns wenig nachvollziehbar mussten wir auf dem Bahnsteig eins warten, der Zug fuhr aber auf Gleis zwei ein. Offensichtlich ist es aber total normal, dass man über die Schienen läuft und sozusagen von der falschen Seite, also nicht vom erhöhten Bahnsteig aus, in den Zug einsteigt.

Einsteigen bitte!
Einsteigen bitte!

Wir hatten unser Vierer-Sitzplatz schnell erreicht und mit einem kleinen Tetrisspiel war unser großes Gepäck ruckzuck über und unter den Sitzen sicher verstaut. So gut es ging machten wir es uns auf unseren Holzbänken, die für die nächsten knapp zwölf (!) Stunden unser Zuhause sein sollten, gemütlich.

Gutes Essen braucht der Mensch

Bereits unterwegs hatten wir die Blicke vieler Einheimischer auf uns gezogen und sie zu großen Gelächter verleitet. Wir hatten zwar damit gerechnet, dass es im Zug ausreichend Verpflegung gibt, wollten uns, da wir mit Ausnahme von Melik alle Vegetarier sind, aber nicht darauf verlassen, fleischfrei versorgt zu werden. Also hatten wir uns vor der Abfahrt bei der netten Dame mit den unglaublich leckeren Banh Mi 13(!) dieser Baguettes besorgt. Dazu gab es natürlich noch diverse Snacks, Bier und Wasser. Dieses Aufgebot an Verpflegung und insbesondere die riesige Tüte mit Banh Mi schien die Menschen so sehr zu faszinieren, dass sie uns mit großen Augen anstarrten. Wir lächelten freundlich zurück und bald hatten sie sich an uns gewöhnt!

Atemberaubende Aussichten

Die Zugstrecke, die das Land von Süden bis Norden verbindet, führt durch wunderschöne Landschaften. Der Blick auf die saftig hellgrünen Reisfelder in der Ebene, die dicht bewaldeten Berge im Westen und das tiefblaue Meer im Osten ist einzigartig und wunderschön. Wir waren froh, überwiegend tagsüber unterwegs zu sein und dadurch diese wunderschöne Natur abseits der Städte und Touristenhochburgen genießen zu können.

Traumhafte Sicht auf das türkisblaue Meer
Traumhafte Sicht auf das türkisblaue Meer

Die Fahrt und ihre Tücken

Der Zug fuhr in einem sehr gemächlichen Tempo und schneller als 60-70 km/h wurde er auf der ca. 500 km langen Strecke nie. Unterwegs hielten wir nur an wenigen Bahnhöfen. An jeden Halt aber hantierte ein Monteur mit einem Werkzeug unter jedem Waggon herum. Offensichtlich musste in regelmäßigen Abständen etwas festgezogen werden. Währenddessen gab es auch immer die Gelegenheit direkt am Bahnsteig bei einem der vielen Essensstände eine warme Mahlzeit, Snacks oder Getränke zu kaufen. An einem der Bahnhöfe, wo wir am Nachmittag stoppten, blieb der Zug über eine Stunde stehen. Die Bahnlinie ist über weite Strecken nur eingleisig und so musste unser Zug insgesamt drei entgegenkommende Züge passieren lassen.

Warten auf die Weiterfahrt
Warten auf die Weiterfahrt

Wie das leider in Südostasien üblich ist, wurde auch im Zug die Klimaanlage zentral auf gefühlte 18 Grad eingestellt. Unaufhörlich blies die kalte Luft und trotz Pullover und Schal war es unangenehm kalt. Irgendwann jedoch ging die Klimaanlage in die Knie und gab auf. Plötzlich wurde es warm und mit geöffnetem Fenster war es richtig angenehm. Offensichtlich waren wir (abgesehen von zwei Schweizern die einzigen Europäer im Abteil) aber die einzigen, die sich darüber freuten. Die Einheimischen krochen unter den Decken, in die sie sich zuvor eingepackt hatten, hervor, wedelten nach frischer Luft und waren offensichtlich unzufrieden über die fehlende Kälte. Unsere Freude über die angenehmen Temperaturen währte jedoch nicht lange. Unser Sitznachbar beschwerte sich leider mehrfach beim Zugpersonal und tatsächlich wurde die Klimaanlage nach zwei Stunden wieder zum Laufen gebracht.

Blick in das Abteil
Blick in das Abteil

Wann sind wir endlich da?

Langsam wurde es dann doch etwas unbequem auf den harten Holzpritschen und wir befürchteten schon, dass wir mit richtig viel Verspätung in Da Lang ankommen würden. Zum Glück hatten wir mit ausreichend Essen und Getränken für allzeit gute Laune vorgesorgt. Außerdem hatten wir viel Spaß beim Spielen von „Stadt, Land, Fluss“. Nebenbei sorgten wir damit auch für reichlich Unterhaltung bei unseren Mitreisenden, die sich offensichtlich über unsere Schweigeminuten und Diskussionen bzw. Lachanfälle im Wechsel amüsierten. Was sie von uns hielten, als wir schließlich bei „Wer bin ich?“ mit lustigen Zetteln auf der Stirn da saßen, wissen wir leider nicht. Auf jeden Fall bleibt uns die Zeitfahrt, die schlussendlich 13 Stunden dauerte, so als ein kurzweiliges, lustiges und sogar ziemlich entspanntes Abenteuer in Erinnerung.

Auch ein besonderes Erlebnis, das nicht unterschiedlicher sein könnte, war unsere Zugfahrt mit dem Shinkansen in Japan Ende November 2018. Unseren Beitrag hierzu findet ihr unter Shinkansen – Eine Bahnfahrt wird zum Erlebnis.

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